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schon mal hier gewesen

Ich möchte heute eine Auswahl meiner Arbeiten zeigen und sie in einen inhaltlichen Zusammenhang stellen, da sich in den letzten Jahren einige thematische Schwerpunkte herauskristallisiert haben. Ich möchte versuchen, diese herauszuarbeiten und damit vielleicht ein allgemeineres Verständnis auch für die hier in der Ausstellung gezeigten Arbeiten zu erreichen.

Bevor ich aber auf meine eigenen Arbeiten eingehe, möchte ich noch einige Bilder von Künstlern zeigen, mit deren Werk ich mich stark auseinandergesetzt habe und deren Arbeiten Einfluss auf meine künstlerische Entwicklung hatten. Dazu zählen vor allem Vertreter der amerikanischen Fotografie wie Lewis Baltz und Robert Adams, die 1975 in der legendären Ausstellung New Topographics in Rochester, New York, vertreten waren und Themen des urbanen und suburbanen Raums aufgriffen. Der Begriff New Topographics wurde daraufhin zu einer Art Stilbegriff, um diese Art der Fotografie zu bezeichnen. Sowohl Lewis Baltz als auch Robert Adams haben viel in Randbereichen des Urbanen fotografiert, sie haben sich für Wohnsiedlungen wie für Industriekomplexe interessiert und versucht, ohne eine vordergründig kritische Haltung zu postulieren, eine Entwicklung in amerikanischen Städten aufzuzeigen, die zu dieser Zeit in der Fotografie nicht präsent war. Kennzeichnend für ihre Arbeitsweise ist die Zurückhaltung des Autors, so dass die Intention der Fotografien häufig nicht auf den ersten Blick zu erschließen ist. Was die Werke dieser Fotografen ebenfalls ausmacht, ist die Arbeit in Serien und die Verwendung des Mediums Künstlerbuch zur Publikation der Fotografien. Ich zeige hier zunächst einige Bilder aus der Arbeit New Industrial Parks Near Irvine, California von Lewis Baltz, die im Jahr 1974 in Buchform publiziert wurde. Hier fotografiert Baltz Industriegebäude in der Nähe von Los Angeles, deren äußere Form keine Rückschlüsse mehr auf das Produzierte zulässt. In der Abwechslung von raumgebenden Überblicken und geschlossen wirkenden Ansichten aus geringer Distanz greift er thematisch einerseits die Entwicklung in urbanen Randgebieten auf, andererseits die Verschiebung der industriellen Produktion in eine virtuelle Dimension, wo selbst im Inneren der Produktionsstätten nicht mehr klar ist, ob Staubsauger oder Gewehre gefertigt werden. Das zweite Beispiel eines amerikanischen Fotografen ist die Arbeit What We Bought The New World von Robert Adams, 1970 bis 74 in der Denver Metropolitan Area fotografiert, allerdings erst 1995 in Buchform publiziert. Hier zeigt Adams Landschaft in einer städtischen Umgebung, die zunehmend durch menschliche Eingriffe verändert wird. Sie wird zersiedelt, in Besitz genommen, es werden Shopping Malls und Straßen gebaut. Adams zeigt Szenen des Urbanen und Suburbanen — ähnlich wie Baltz — in einer sehr zurückhaltenden s/w Fotografie. Er bezieht jedoch manchmal auch Menschen mit in seine Abbildungen ein.

Als letztes Beispiel möchte ich noch auf die — sicherlich bekannten — Arbeiten der Schweizer Künstler David Fischli und Peter Weiss verweisen, von denen ich hier nur ganz kurz einen Ausschnitt aus der Arbeit Siedlungen und Agglomerationen aus dem Jahr 1993 zeigen möchte. Hier haben Fischli und Weiss rund um das Jahr einen gesichtslosen Züricher Vorort fotografiert. Vordergründig scheint das Abgebildete kaum zeigenswert, aber gerade in der Konsequenz, das, was als nicht abbildenswert erachtet wird zu fotografieren, bekommt das Projekt seinen Charme und seine Bedeutung. Die Ästhetisierung des Banalen, das noch verstärkt wird durch den Lauf der Jahreszeiten — was normalerweise einer Landschaftsfotografie in Hochglanzmagazinen vorbehalten ist —, macht die Qualität dieser Arbeit aus. Es zeigt sich auch, dass man Vorortsiedlungen, die in den 60er oder 70er Jahren gebaut wurden, fotografisch genau so behandeln kann wie Postkartenmotive aus aller Welt ( in der Arbeit Bilder, Ansichten von 1991) oder Flughäfen (Airports von 1990).

Mein grundsätzliches Interesse gilt dem Umgang mit Bildern. Mit Bildern meine ich fotografische Abbilder, also Fotografien, digitale Bilder, aber auch Film- und Fernsehbilder. Das bezieht öffentliche, medial verbreitete Bilder aus dem angewandten Bereich, die aufgrund ihrer Präsenz im Alltag die visuelle Wahrnehmung stark beeinflussen mit ein.

Nach diesen Vorbemerkungen möchte ich aber damit anfangen, einige Arbeiten von mir vorzustellen. Ich beginne mit einer fotografischen Arbeit von 1996, die 1999 in Buchform erschienen ist. Es handelt sich um das Projekt Plan (http://www.bildangelegenheiten.de), das ich gemeinsam mit Elisabeth Neudörfl realisiert habe. Das Buch hat 86 Abbildungen und eine Seite Text, ich zeige hier zunächst einige Bilder aus dem Projekt.

Die Bilder, die Sie sehen, scheinen recht belanglos zu sein, sie zeigen Häuser, Autos, Straßen, Gestrüpp, keine Menschen. Die Orte, die fotografiert wurden, haben allerdings eine Bedeutung, es handelt sich um Stellen in Berlin, die im Zusammenhang mit der Ausgrenzung und Vernichtung der Juden im Dritten Reich stehen. Da sind Orte der Verwaltungsstellen, die die Vernichtung geplant, die Ausführung koordiniert haben, da sind Sammellager, Stätten der Zwangsarbeit, wilde KZs, Deportationsbahnhöfe, und da sind jüdische Einrichtungen, die zur Kooperation mit den Nazis gezwungen wurden. Es wurden auch Orte einbezogen, die mit dem so genannten Euthanasieprogramm und mit der Ausgrenzung der Sinti und Roma in Zusammenhang stehen. Uns war es wichtig, dass auf den Bildern nichts auf die Ereignisse verweist, denn jeder Ort kann potenziell ein Ort der Erinnerung sein. Die Idee für das Projekt ist aus der Diskussion um das zentrale Holocaust-Mahnmal entstanden, deren prämierte Entwürfe aus dem damals gerade abgeschlossenen ersten Wettbewerb wir sehr kritisch diskutiert haben. Es geht aber auch immer um die Frage, was Fotografie leisten, was eine Abbildung über einen Ort aussagen kann. Dies ist ein Thema, das mich immer wieder interessiert und das in den verschiedenen Arbeiten, auch wenn sie formal sehr unterschiedlich sind, immer wieder mit verhandelt wird. In der medialen Verbreitung stehen Bilder in den seltensten Fällen für sich, sie werden meist von einem Text begleitet, der suggeriert, dass man das, was im Text steht, auch auf dem Bild sieht. Werden die Bilder dieser textlichen Erklärung beraubt, müssen sie sich ganz allein behaupten. Sind nun so banale Bildwelten wie in der vorliegenden Arbeit abgebildet, die scheinbar nichts Abbildenswertes besitzen, ist der Betrachter häufig irritiert. Dies zeigt sich oftmals in der Rezeption des Buches. Kennt man den Kontext nicht, sind die meisten Betrachter zunächst völlig irritiert. Gelangen sie dann zur letzten Seite, auf der die Orte mit Adressen und ihrer historischen Funktion aufgelistet sind, wird das Buch noch einmal komplett durchsucht, weil vermeintlich etwas übersehen wurde. Das ist natürlich nicht der Fall, denn in den Bildern gibt es keine Verweise auf das, was dort gewesen ist. Dies wurde sehr häufig bemängelt. Uns ging es aber nicht ausschließlich darum, ein aufklärerisches Buch zum Thema abzuliefern, sondern eher das Erleben, dass lediglich das Wissen um die Ereignisse die Rezeption der Bilder oder der Orte verändert, zu transportieren. Damit steht das Buch recht konträr zu anderen Fotobüchern, die Mitte der 90er Jahre zu diesem Thema erschienen sind. Diese zeigen oftmals Fotos aus den ehemaligen Vernichtungslagern, in denen mit Hilfe von Symbolen und fototechnischen Tricks — wie z.B. dunkel nachbelichtetem Himmel — Emotionen erzeugt wurden, die die Orte unserer Meinung nach gar nicht hergeben.

(Ein Beispiel für diese Art des fotografischen Umgangs mit der Vergangenheit ist das 1994 erschienene Buchprojekt Totenstill von Dirk Reinartz.)

Uns war wichtig, dass man nicht nachvollziehen kann, welcher konkrete Ort auf den Bildern zu sehen ist. Deshalb gibt es keine Legende und keine Seitenzahlen, die Auflistung der Orte ermöglicht es nicht, sie einzelnen Fotografien zuzuordnen. Wir möchten dieses Buch nicht nur im Rahmen der Diskussion um das zentrale Holocaust-Mahnmahl in Berlin verstanden wissen, sondern auch als einen Beitrag zum Fotografiediskurs. Das Projekt Plan ist unter anderem im Jahr 2000 auf der Internationalen Foto Biennale in Rotterdam gezeigt worden, wo wir uns für eine Form der Installation entschieden haben, da wir keine Auswahl aus den 86 Bildern zeigen und auch eine Betrachtung der Bilder auf der Ebene einer fotografischen Ästhetik verhindern wollten. Neben der Möglichkeit, sich das Buch ungestört anschauen zu können, gibt es als Erweiterung einen Stadtplan von Berlin, auf dem die fotografierten Orte markiert sind. Die topografische Verortung auf der Karte eröffnet eine neue Ebene der Orientierung, die von den Besuchern sehr positiv aufgenommen worden ist.

Als nächstes Projekt möchte ich eine weitere Arbeit aus dem Jahr 1996 zeigen, das Internetprojekt 1. Livesource Ostdeutschlands. Um zu verstehen, worum es ging, sollte man sich zunächst die Situation im WWW zu dieser Zeit vor Augen führen. Standard war HTML 2.0, eine recht frühe HTML-Version, die es erlaubte, Bilder und Texte in Tabellen anzuordnen. Neu war die Möglichkeit, Skripte mit einzubeziehen und so neue Technologien einzubinden. Eine Technologie, die 1995 eingeführt wurde, war die Live-Kamera. Über ein Skript war es möglich, ein Live-Bild von einer Video- oder Digitalkamera ins Netz zu stellen, das alle fünf oder zehn Minuten aktualisiert wurde. So konnte der Betrachter das Gefühl vermittelt bekommen, dass er tatsächlich live an einem anderen Ort dabei sein konnte. Die Bilder, die dort zu sehen waren, waren meist banal, weil irgendein Computerfreak eine Kamera aus seinem Bürofenster auf die Straße richtete, was meist nicht sonderlich interessant war. Aber man war dann in Philadelphia oder in Hollywood oder in Hamburg. Die Seiten mit Live-Kameras erfreuten sich großer Beliebtheit, was sie auch heute noch tun. Mittlerweile hat allerdings das Streaming-Video die fünfminütigen Updates abgelöst. Mich haben damals sehr die Zusammenhänge zwischen den banalen Bildwelten und der textlichen Zuschreibung des Live-Aspekts interessiert. Ich wollte herausfinden, ob sich die Betrachter die Bilder auch anschauen oder ob es eher darum geht, dass das Bild eine Art Bestätigung einer beschriebenen Situation ist, nämlich der Live-Situation, in der alles andere unwichtig wird. Ich habe also eine Live-Kamera simuliert. Statt live Bilder ins Netz zu stellen, griff das programmierte Skript auf ein Archiv zu, in dem bearbeitete Bilder, die einen virtuellen Tagesablauf repräsentierten, lagen. Die Seite war so programmiert, dass man dies nicht herausfinden konnte und operierte ansonsten mit den üblichen Floskeln und Redewendungen von Webcam-Seiten, um die Website attraktiv zu machen. Um herauszufinden, was die Besucher davon hielten, gab es ein Gästebuch, in das man sich eintragen konnte und auch per Email konnte man Kontakt mit mir aufnehmen. Weiterhin befragte ich Webmaster, die Live-Kameras zur Verfügung stellen, sowie Besucher von Live-Kamera-Seiten über ihre Interessen, z.B. ob sie immer wieder auf die selben Seiten zurückkehren. Das Ergebnis der Umfrage zeigte, dass die meisten User tatsächlich immer wieder auf ihre Lieblingsseiten schauen, um zu sehen, wie das Wetter ist oder ob sich etwas verändert hat. Allerdings bemerkte niemand das Fake, es wurde nicht wahrgenommen, dass Hochhäuser der Leipziger Skyline wachsen oder schrumpfen. Wenn jedoch auf Grund der Zeitumstellung oder wegen fehlerhafter Ausführung des Skripts plötzlich tagsüber Nachtbilder oder umgekehrt zu sehen waren, bekam ich jedes Mal besorge Emails, ich müsse da etwas reparieren. Die Aufmerksamkeit war also durchaus vorhanden, nur war sie eben nicht auf die Dinge im Bild gerichtet, sondern auf die Umstände des Live-Aspekts und der Uhrzeit. Von daher war es dann auch nachvollziehbar, dass Bilder, die eher als Platzhalter fungieren, sehr banal sein können und sich die Betrachter mit relativ geringen ästhetischen Kriterien zufrieden geben. Die 1. Livesource Ostdeutschlands kam aber in der Community der Webcam-Freunde sehr gut an, sie war Jahrelang Quotenkönigin des Webservers und hat sogar einen Webcam-Award gewonnen, dessen Logo ich auf die Seite hätte stellen dürfen. Ich habe sehr viele sehr euphorische Zuschriften bekommen von Leuten, die über ihre Verbindungen nach Leipzig räsonieren und sich freuen, dass diese schöne Stadt nun endlich auch im Netz zu beobachten ist.

Diese Arbeit führt direkt zu dem Ausstellungsprojekt objects in this mirror may be closer than they appear, das 1999 im Kunstverein Leipzig gezeigt wurde und aus drei Arbeiten besteht, die inhaltlich eng zusammenhängen. Mein Interesse für die banalen Bildwelten von Webcams hat dazu geführt, dass ich jahrelang Bilder von diesen gesammelt habe. Ich habe sie somit aus ihrem Kontext gelöst und als Bilder, die für sich stehen gesehen, nämlich ohne Internet und ohne Verweis darauf, was denn eigentlich auf ihnen zu sehen ist. Interessant waren für mich allerdings immer nur die Stadtbilder, obwohl es auch zahlreiche Webcams gibt, die Innenansichten oder Landschaften zeigen. Aus dieser Sammeltätigkeit heraus ist die Arbeit Virtuelle Stadt entstanden. Ich habe Webcambilder mit weißem Passepartout auf Fotopapier ausbelichtet und gerahmt an die Wand gehängt. Es entsteht ein Eindruck von Schnappschüssen von Städten, nur bin ich eben nicht selbst an diesen Orten gewesen, vielmehr habe ich das Netz als Kamera benutzt und die Bilder aus ihrem Kontext herausgelöst. Erst, wenn man sich den sehr kleinen Bildern nähert, entdeckt man das Pixelige. In der ganzen Banalität des Abgebildeten und der unscharfen digitalen Qualität entwickeln die Bilder wieder eine ganz eigene Ästhetik. Es entsteht ein Bild von internationalen Städten, die man nicht genau zuordnen kann.

Zwischenbemerkung: Wenn man versucht, das Unspektakuläre, das Alltägliche, unspektakulär abzubilden oder aber auch das Spektakuläre unspektakulär abzubilden, gelangt der Betrachter, der im Bild das Besondere erwartet, an seine Grenzen, da er nicht ohne weiteres die Legitimation des Bildes erkennen kann. Denn wenn das Alltägliche in seiner Alltäglichkeit als nicht abbildenswert angesehen wird, woraus beziehen dann Bilder davon ihre Legitimation? Der fotografische Verweis auf das Banale scheint überflüssig, da es ja hinlänglich bekannt ist und eine Hervorhebung nicht verdient. In der Schnappschussfotografie, die auf den ersten Blick für den außen stehenden Betrachter banal wirkt, wird das Banale in seiner Momenthaftigkeit aufgeladen. Im Akt des Abbildens wird der Moment zelebriert und archiviert, um ihn von anderen Momenten abzuheben. Fällt diese Aufladung fort, bleibt diese Art der Bildbetrachtung unbefriedigt. Die Frage nach der Legitimation bleibt bestehen. Gleichzeitig geht es aber auch darum, eine Ebene für den Betrachter zu schaffen, aufgrund seiner visuellen Erfahrungen eine eigene Lesart zu entwickeln. Die Anhaltspunkte für eine Lesbarkeit in den Bildern selbst sind gering, sie verweisen auf die Assoziationsmöglichkeiten des Betrachters. Daraus resultieren sehr unterschiedliche Betrachtungsweisen.

Eng verknüpft mit der Virtuellen Stadt ist die Arbeit Internationale Stadt. Aus der Betrachtung der Webcambilder heraus habe ich mich mit der Frage beschäftigt, was denn eigentlich das konstituierende Moment unserer Stadtwahrnehmung ist. Von vielen Städten der Welt haben wir ein Bild im Kopf, das sich aus den Bildern, die wir von diesem Ort wahrgenommen haben, zusammensetzt. Wir erinnern zunächst die verbreiteten Klischees. Sind wir an einem Ort einmal für eine längere Zeit gewesen, differenziert sich die Wahrnehmung und unser Bild wird schärfer und grenzt sich mehr von den Klischeevorstellungen ab. Mich hat nun interessiert, ob es möglich ist, in verschiedenen Städten Bilder zu fotografieren, die nichts Ortstypisches mehr beinhalten, sondern ein allgemeines Bild von Stadt entwickeln. So habe ich versucht, in New York, Berlin, London, Paris und Zürich Bilder zu finden, die ich überall hätte machen können. Herausgekommen ist eine Arbeit, die aus 81 Bildern besteht und als Diaprojektion gezeigt wird. Das Medium Projektion schien mir angemessen, da ich dann selbst bestimmen kann, wie lange jedes einzelne Bild betrachtet wird. Mein Interesse lag nicht darin, Suchbilder zu erzeugen, wo jeder das Straßenpflaster oder die Baumeinzäunungen absucht, um Hinweise auf den Herkunftsort der Fotografie zu bekommen. Ausschlag gebend war für mich eher, das Bild einer Generic City, also einer allgemeingültigen Stadt — wie Rem Koolhaas die Internationalisierung der zeitgenössischen Städte nennt — zu erzeugen. Wichtig war für mich hier auch, dass der Betrachter immer etwas Eigenes mitbringt und so immer die Bilder nach den eigenen Erfahrungen einordnen wird. Die Bilder zeigen nichts, was man nicht schon kennt und bieten gerade deshalb eine Projektionsfläche für die eigenen Erfahrungen mit Städten und mit Bildern von Städten. Wichtig ist hier auch, dass es sich um eine rein fotografische Arbeit handelt, die nicht digital bearbeitet wurde. Das fotografische Moment der Authentizität war hier ganz wichtig, denn dass man in digital bearbeiteten Bildern Aussagen verallgemeinern kann, das wollte ich nicht zeigen. Es ging tatsächlich um die abbildenden Qualitäten des Mediums und wie ich sie als Fotografin für meine Intentionen instrumentalisieren kann.

Die dritte Arbeit dieses Ausstellungsprojekts ist das Video Landschaft, das nun auch hier in dieser Ausstellung noch einmal gezeigt wird. Es hängt insofern eng mit den beiden Stadtarbeiten zusammen, als dass auch hier ein allseits bekanntes Bildsujet im Mittelpunkt des Interesses steht. Es handelt sich um Fotografien, die im Westen der USA entstanden sind, in den Rocky Mountains. Diese Landschaft sollte jedem, der seine kulturelle Sozialisation über das Fernsehen und Kinofilme der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts erhalten hat, zur Genüge bekannt sein. Für diejenigen, die sich für Fotografiegeschichte interessieren, steht die Landschaft des amerikanischen Westens mit dieser in einem engen Zusammenhang. Dessen Erschließung wurde in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts eng von Fotokameras begleitet und nimmt von daher einen hohen Stellenwert in der amerikanischen Fotografiegeschichte ein. Ausgangspunkt der Arbeit war, dass ich, mit dieser Landschaft direkt konfrontiert, das Gefühl nicht los wurde, schon einmal dort gewesen zu sein. Alles schien sehr vertraut, so dass ich mich fragen musste, in welcher Form ich mich denn nun als Fotografin hier mit einer eigenen Haltung positionieren könnte. Dies schien mir unmöglich, da ich mich selbst nicht von den Bildern befreien konnte, die ich bereits im Kopf hatte. Also beschloss ich, diese Landschaft so zu fotografieren, wie ich sie am besten kenne: als Kulisse in einem Western, als Hintergrund für eine mögliche Handlung und so allgemein, dass jeder Betrachter sich mit seinen eigenen Erfahrungen und seinem individuellen Hintergrundwissen in diesen Bildern wiederfinden kann. Um auch hier eine Betrachtung der Bilder auf der Ebene einer rein fotografischen Ästhetik auszuschließen, habe ich die Bilder in das Medium übersetzt, aus dem ich sie kenne: ins Fernsehen. So kann man nun wie auf einer Zugreise — auf einer solchen sind sie entstanden — die Bilder an sich vorbeiziehen lassen und mit den eigenen Assoziationen anfüllen. Es geht immer auch um die Frage, was für Bilder man heute noch zeigen kann, welche Bilder die Betrachter bereits im Kopf haben und wie man sich zu dem, was man schon kennt, verhalten kann. Wie sieht man Bilder, wie sieht man das, was man schon zu kennen meint?

Von dieser Stelle komme ich nun zu den neuen Arbeiten, die hier in der Ausstellung präsentiert sind. Die Arbeit Position I & II ist ursprünglich als Buchprojekt konzipiert, hier in der Ausstellung aber als Diaprojektion zu sehen. Ich habe über das Internet ein Kreuzfahrtschiff bei seiner jährlichen Weltumrundung verfolgt. Jeden Tag wird ein Bild, das von der Kamera stammt, die auf der Brücke steht, ins Netz gestellt und mit einem Kartenausschnitt versehen. Weiterhin gibt es auf der Website Informationen zur exakten Position, dem Wetter, der Temperatur und Ähnlichem. Mich hat hier jedoch nicht nur das akribische Nachzeichnen der Weltreise interessiert, die symbolisch für eine Aneignung der Welt steht und Inbegriff der Globalisierung ist, vielmehr hat mich die Tatsache fasziniert, dass hier zwei sehr unterschiedliche Bildsysteme auf den selben Ausschnitt der Realität verweisen. Die Kamera auf der Brücke zeigt die Position, die man in Form des lilanen Punktes in der Bildmitte der Karte sehen kann. Wir befinden uns immer im Zentrum, die Welt rotiert um uns herum. Die gelbe Linie deutet Bewegung an, aber wir wissen trotzdem meistens nicht, wo wir uns befinden, denn das Meer erteilt darüber keine Auskunft. Und auch die Karte, die von aller textlichen Information befreit ist, reicht als Anhaltspunkt meist nicht aus. Sowohl der Fotografie als auch der Kartografie werden Qualitäten zugeschrieben, die es einem erleichtern sollen, sich in der Welt zurecht zu finden. Beides sind Systeme der Visualisierung, wobei der Fotografie ein Moment der Authentizität zugesprochen wird, die Kartografie aber einem konstruktiven Moment unterliegt. Diese Systeme werden mit den hier gezeigten Bildern gründlich in Frage gestellt. Somit stellt der fotografische Teil der Arbeit (Position I) auch wieder die Frage danach, was Fotografie in der Abbildung eines Ortes leisten kann. Es scheint mir auch wichtig zu betonen, dass die Bilder aus dem Internet stammen. Es bietet sich an, Analogien zum Reisen im Weltweiten Datennetz zu ziehen, wo wir auch oft nicht wissen, an welchem Ort wir uns befinden. In der Auswahl habe ich mich auf die Bilder beschränkt, die das Meer zeigen, lediglich im ersten und im letzten Bild sind Häfen zu erkennen. Die Reise hat einen Anfangs- und einen Endpunkt, diese Punkte liegen beide in Europa, was im Zusammenhang mit einem Globalisierungsdiskurs von Interesse sein könnte. Besonders die Stadt Genua als Ausgangspunkt der Reise gewinnt im Hinblick auf die Ereignisse dort im Rahmen des G8 Gipfels letzten Sommer an Brisanz. Schließlich wohnten dort Staatsmänner auf Kreuzfahrtschiffen, da diese vermeintlich mehr Sicherheit boten als Hotels in der Stadt selbst. Dort entstand auch die Idee, solche Veranstaltungen insgesamt in internationale Gewässer zu verlegen, um so eine Konfrontation mit den demonstrierenden Globalisierungsgegnern zu vermeiden. Das Schiff an sich ist der Inbegriff des Nicht-Ortes wie Marc Augé es nennt, es entzieht sich jeglicher Zuschreibung des Individuellen und ist geprägt durch eine relative Anonymität. Diese Anonymität findet sich auch in den Bildern wieder, die sich in ihrem zurückhaltenden Umgang mit dem Sichtbaren dem Konkreten entziehen. Solche Nicht-Orte sind es, die mich immer wieder faszinieren und die mit der Vereinheitlichung des Sichtbaren eine immer stärkere Gewichtung in unserer Gesellschaft erhalten.

Auch in der Arbeit Dockland spielt die Anonymität — in diesem Fall wieder in einem urbanen Umfeld — eine Rolle. Die digital bearbeiteten s/w Fotografien sind bereits im Frühjahr 2000 in Rotterdam fotografiert, ich habe mich ihnen jedoch erst im Herbst letzten Jahres gewidmet. Bei dieser Arbeit ist es mir wichtig, dass sich hier Stadt als etwas im Auflösungsprozess Befindliches präsentiert, ein Thema, was sich mir durch die Ereignisse des letzten Herbstes verstärkt aufgedrängt hat. Im Gegensatz zur Arbeit Internationale Stadt ist hier Stadt nicht mehr als geschlossener Komplex, der kaum Ausblicke zulässt oder den Himmel zeigt, sichtbar. Das Architektonische wird mehr in den Hintergrund gedrängt und so entsteht eine Atmosphäre des nicht wirklich Verortbaren.

In den New Industrial Parks Near Irvine, California hatte Lewis Baltz damit begonnen, die Auflösung des Sichtbaren in der zeitgenössischen industriellen Produktion und deren Auswirkungen auf das Suburbane fotografisch zu dokumentieren.

Dieser Auflösungsprozess hat sich immer mehr auf alle Bereiche des Urbanen ausgeweitet. In der Umwandlung von Hafengebieten in Büros von Medienunternehmen und Lofts für Neureiche verschwindet ein weiteres Stück sichtbarer Prägung des städtischen Raumes in einer Ambivalenz des Unsichtbaren. In Begriffen wie Globalisierung und Deterritorialisierung, Verlust des Zentrums oder Peripherisierung des urbanen Raums werden diese Phänomene begrifflich umrissen und diskutiert. Mich interessiert zunehmend, wie sich der städtische Raum mit seinen Strukturen der Öffentlichkeit durch neue Technologien verändert. Mit den digitalen Eingriffen in das fotografierte Bild kann ich verstärkt die mir wichtigen Punkte herausarbeiten. So verändert sich nicht nur der urbane Raum durch den Einsatz von zeitgenössischen Technologien, sondern auch das Bild davon.